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Last Exit Reno

Was treibt Übersetzer dazu, einen englischsprachigen Titel ("Hard Eight") für den deutschen Verleih in einen anderen englischsprachigen Titel ("Last Exit Reno") zu übersetzen? Ich weiß es nicht. Wie ich aber neulich festgestellt habe, war Regisseur Paul Thomas Anderson ("Boogie Nights", "Magnolia", "There will be blood") während des Drehs zu seinem ersten Spielfilm gerade mal 26 Jahre alt. Daher hat's mich mal interessiert, was er in diesem jungen Alter so auf die Beine gestellt hat.

Filmplakat

Die Handlung beginnt in einem Highway-Café irgendwo in Nevada. Der alternde Spieler Sydney (Philip Baker Hall, seitdem Stammpersonal bei Andersons Filmen) gabelt den verzweifelten John (John C. Reilly) auf und bietet ihm Hilfe an. John versuchte 6.000 Dollar für die Beerdigung seiner Mutter in Las Vegas zu erspielen. Da er dabei aber nicht sehr erfolgreich war, bietet Sydney an ihm 50 Dollar zu leihen und einige Tricks zu zeigen, um zumindest erstmal über die Runden zu kommen. Gegenüber soviel Gutmütigkeit aus heiterem Himmel zunächst skeptisch, willigt er letztendlich doch ein und die beiden fahren nach Vegas. Dort ergaunert sich John unter akribischer Direktion Sydneys zunächst ein Zimmer in einem Casino. Und auch für die 6.000 Dollar soll sich eine Lösung finden.

Zwei Jahre ziehen ins Land und John und Sydney sind gute Freunde geworden. Doch ist dies keine Freundschaft zwischen Gleichberechtigten: John schaut zu Sydney auf, kleidet sich ähnlich vornehm wie er und bestellt sogar dieselben Drinks, es ist also recht offensichtlich, wer von wem abhängt. Die Motivation Sydneys bleibt allerdings zunächst verborgen. Mehr oder weniger absichtlich schafft er es auch, seinen Protegé mit Clementine (Gwyneth Paltrow), der Bedienung eines Casinos, zu verkuppeln. Da diese jedoch als Nebenbeschäftigung noch besonders freundlich zu einigen Gästen ist, ergeben sich unerwartete Probleme. Außerdem weiß einer von Johns neuen Freunden, der Casinowachmann Jimmy (Samuel L. Jackson), von Sydneys Vergangenheit…

So wird in der ersten Hälfte des Films ein Spannungsbogen aufgebaut, der allerdings etwas holprig geschlossen wird. Während die ersten 45 Minuten sehr gut ausgearbeitet sind, wirken einige Szenen der zweiten Hälfte noch recht spontan und unausgegoren. Als Beispiel sei hier eine Szene genannt, in der sich Sydney von einem jungen Würfelspieler (Philip Seymour Hoffman) provozieren lässt, die aber eigentlich keinerlei Bezug zum Rest der Handlung hat und auch keine tieferen Einblicke in die Charaktere bietet. Die Wandlung des vorher stets souveränen Sydneys, der in jeder Situation weiß, was zu tun und zu sagen ist, zu einem impulsiven Nervenbündel und wieder zurück geschah mir ebenfalls zu abrupt. Das Ende ist kurz und schmerzlos, insofern aber eher eine Lösung für einen Kurz- als einen Spielfilm. Gegenüber Andersons späteren Werken kommt es recht emotionslos daher.

Dennoch möchte ich den Film nicht schlechter machen als er ist, da er sowohl schauspielerisch als auch dramaturgisch die längste Zeit gut unterhalten kann. Zu ersterem ist hier Philip Baker Hall hervorzuheben, dem die Rolle offensichtlich auf den Leib geschrieben wurde. Seine Mimik unterstreicht jederzeit, dass er weiß, wovon er spricht, und dass dennoch das Damoklesschwert eines gut gehüteten Geheimnisses über seinem Kopf schwebt. Gegenüber der Reife Halls wirkt Reilly geradezu blass, was aber zum Teil auch der untergeordneten Rolle seines Charakters geschuldet ist. Paltrow und Jackson hingegen können in ihren Rollen überzeugen.

Ansonsten lässt sich bei diesem Film bereits das Talent Andersons als Regisseur und Drehbuchautor erkennen. Das Screenplay wurde innerhalb von 2 Wochen geschrieben, es ist also nicht allzu verwunderlich, dass die zweite Hälfte ein bisschen mehr Schliff hätte vertragen können. Alles in allem ist der Film aber dennoch sehenswert und mit Ausnahme einiger Längen auch durchaus unterhaltsam.

7 von 10 Punkten